31. Dezember 2007

Ihr Kinderlein kommet… zur Krippe herkommet in Pannurs Stall

Ich hoffe, ihr hattet alle ein schoenes, froehliches, gesegnetes und friedliches Weihnachtsfest und wuensche euch allen einen guten Rutsch ins neue Jahr. Ich hoffe,euch geht es gut dort im fernen kalten Deutschland (oder wo auch immer ihr gerade seid). Mir gehts super und finde es immer noch unbeschreiblich schoen hier. Aber ich bin nicht der Typ, der wochenlang vor Freude die ganze Zeit nur im Dreieck huepfen kann und so hab ich auch schon ein paar kleine Kriesen erlebt… ist schon komisch, man mus sich aufgrund der ganz anderen Kultur wieder von Anfang an mit sich selbst auseinandersetzen und lernen, in dieser neuen Umgebung mit seinen Fehlern zurechtzukommen. Abe rim grossen und ganzen fuehle ich mich ziemlich wohl hier und habe es bisher noch nie bereut, nach Indien gegangen zu sein. Manchmal wuenschte ich mir sogar, ich koennte den ganzen Rest meines Lebens in Indien verbringen. Ob ich Heimweh habe? Meine Familie vermisse ich manchmal schon, immerhin hab ich 18einhalb Jahre fast jeden Tag mit ihnen verbracht. Aber bisher war es nur einmal ganz schlimm und zwar am Morgen des 24.12. Ich dachte, Weihnachten ohne meine Familie wuerde ganz ganz schrecklich werden…. und dann wurde es einfach unbeschreiblich schoen:
“Um Mitternacht feiern wir einen Gottesdienst und ich lasse mich fallen in diese ungeahnt tiefe Freude, bescheidene Einfachheit und unverdorbenen Frieden der Aermsten der Armen. Ich koennte vor Freude weinen …nein, mir ist eher danach, 26 Purzelbaeume zu schlagen und 53 Luftspruenge zu machen. Mir kommt es fast so vor, als waere ich selbst in Bethlehem vor 2007 Jahren. Jedenfalls bekomme ich (weg von Konsum und Materialismus in Europa) mehr denn je eine Ahnung davon, wie es sich damals zugetragen haben muss. (Dieses Erlebnis ist das schoenste Weihnachtsgeschenk, das ich je bekommen habe. Und so gerne ich es mit euch teilen wuerde, ist es leider unmoeglich, dies in Worte zu fassen, man kann es nur tief in seinem Herzen spueren.) Nach dem mitternaechtlichen Gottesdienst, in dem die Haelfte der Kinder einschlaeft (gibt es etwas schoeneres als schlafende Kinder?) setzt sich die ganze Gemeinde in einem grossen Kreis vor die Krippe, die draussen aufgebaut ist, und jeder bekommt ein Stueck Kuchen und einen Schluck heissen Tee (ueber den man sich freut wie ein Schneekoenig,denn es ist ziemlich kalt). Danach ziehen ein paar Kinder los, um mit dem “Baby-Jesus” aus Ton jades Haus im Dorf zu besuchen (sie sind fast die ganze restliche Nacht unterwegs) Ich habe das leider nicht mitbekommen,sonst waere ich liebend gerne mitgegangen.
Am naechsten Morgen gibt es einen Gottesdienstim Freien (mit Taufe), da so viele Leute kommen, dass sie nicht alle in die Kapelle gepasst haetten. Ich mag die Gottesdienste hier, obwohl ich kein Wort verstehe, aber sie sind so lebendig und der Gesang ist so schoen… Den restlichen Vormittag verbringen William (ein 30-jaehriger Franzose) und ich damit, Obst zu schnippeln, ein leckerer Obstsalat soll unser Weihnachtsgeschenk fuer alle sein. Nach dem leckeren, reichlichen Mittagessen gehen alle Kinder, die Lehrerin, die englische und die italienische Familie, die zu Besuch sind, William und ich zum Fluss, die Kinder nehmen ihre Kleider zum Waschen mit. Die Erfrischung endet in einer ausgelassenen Wasserschlacht. Und auch sonst spielen und toben wir den ganzen Tag mit den Kindern…Es ist so schoen, dass sie noch richtige Kinder sind, die nicht viel brauchen zum Spielen und nicht von Computer, Fernsehen und Ueberfluss “verdorben”sind. Und wenn sie spielen, geht es ihnen wirklich nur um den Spass und nicht ums gewinnen, ich glaube, sie wissen gar nicht,was gewinnen ist. Was diesen Weihnachtstag zu einem so besonderen Tag macht, ist nicht das gute Essen, kein Flittern und Glimmer, keine Ueberheblichkeit, kein Konsum und keine Geschenke, sondern die einfache Freude und das lustige Miteinander.

11. Dezember 2007

Klopapier gibt es nicht und der Mond hat kein Gesicht mehr...

... wirklich, wenn ich es nicht besser wuesste, haette ich statt einem Gesicht nur den Hasen darin gesehen. Und auch sonst ist alles ganz, ganz anders in Indien. Die ersten paar Tage war ich ganz erschlagen...

25.11.2007 Ankunft in Bangalore
*Ich muss eine halbe Ewigkeit auf meinen Koffer warten. Viele Leute sprechen mich an, einfach so. Aber ich bin einfach nur hundemuede und wie in Trance stolpere ich aus dem Flughafen. Draussen erwartet mich eine ungewohnte Waerme, obwohl es schon dunkel ist. Mir bleibt nichts anderes uebrig als hineinzutauchen in Bangalores buntes, lautes, wuselndes Chaos. Allein meine erste Fahrt in einer Autorikscha ist ein einziges Abenteuer. Zwei Tage, bevor ich Deutschland verliess, habe ich meine Fuehrerscheinpruefung bestanden (Hallelujah!) und dann in Indiens Verkehrschaos zu landen, ist schon ein kleiner Schock. *

An dem einen Tag, den ich in Bangalore verbrachte, bakam ich nicht viel von der Stadt zu sehen und von daher war der Verkehr das fuer mich wohl beeindruckenste. Verkehrsreiche Strassen sind ein einziges Hupkonzert. Wirklich, es vergehen keine 2 Sekunden, in denen nicht gehupt wird. Vor allem die Mofas, und davon gibt es sehr, sehr viele. Jeder faehrt wie er will, aber es passiert nichts, das ist das Krasse.

Hier auf dem Land sind statt der vielen Mofas und Autos Kuehe, Ziegen, Huehner, Hunde, Voegel und Menschen auf den Strassen unterwegs.

27.11.2007 Fahrt nach Pannur
*Ich werde heftigst durchgeschuettelt aufgrund der bucklig-huppligen Staubpiste, die sich Starsse nennt. Aber darauf achte ich nicht, denn ich bin mit etwas anderem beschaeftigt... schauen und staunen. Kleine Felsenberge in bizarren Formationen. Eine Frau in buntem Sari kommt uns entgegen, sie traegt eine Wasserkaraffe auf dem Kopf. Reis-, Sonnenblumen-, Baumwoll- und Kornfelder. Wir ueberholen ein paar Kuehe mit bunt angemalten Hoernern. Eine Ansammlung kleiner, strohbedeckter Lehmhuetten, vor denen Huehner scharren und Kinder spielen, die aufgeregt winken, als wir vorbeifahren. Auf der Strasse laeuft ein Mann, statt Hosen traegt er ein Tuch um die Hueften geschlungen, man sieht kaum sein Gesicht, da er ein riesiges Buendel Stroh auf dem Kopf transportiert. Ein Fluss, in dem Frauen Waesche waschen, wunderlicherweise kommt unser Jeep heil ueber die schmale Bruecke. Wieder ein paar Huetten, vor denen rote Chillischoten getrocknet werden, ein Pfau stolziert auf und ab, bunte Saris flattern im Wind. Wir ueberholen einen Trecker, der laute Musik anhat und viele Menschen auf dem Anhaenger transportiert. In Kornfeld sitzen Frauen, die das Korn von Hand ernten. In der Ferne wiegen sich Palmen im Wind. Langsam versinkt die Sonne als glutroter Feuerball am Horizont.*

Indiens Schoenheit live zu sehen ist unbeschreiblich wunderbar. Ich kann kaum glauben, dass ich das alles erleben darf. Hoffentlich werde ich mich nie daran gewoehnen und immer mit staunenden Augen schauen, die diese Schoenheit zu wuerdigen wissen. Oft sitze ich auf dem Dach des Internats in Pannur, besonders zur Zeit des Sonnenuntergans und geniesse die Aussicht, beobachte das Dorf, die Bruecke ueber den Fluss und die Menschen, die vorbeiziehen.
Neben der Schoenheit Indiens bin ich vor allem auch von den Menschen, ganz besonders den Kindern, sehr beeindruckt. Sie sind ja so goldig!

27.11.2007 Ankunft in Pannur
*Eine Kinderschar rennt auf mich zu und umringt mich. Sie rufen Aunty und Miss, finden alles Moegliche an mir faszinierendund sagen stolz Englische Brocken auf. Genau wie es mir von dem Maedchen beschrieben wurde, die letztes Jahr hier war. Wunderschoen, dieser herzliche Empfang.*

Die Kinder wachsen mir mit jedem Tag mehr ans Herz.

Doch so schoen und idyllisch sich das bis jetzt anhoert, hat alles doch seine zwei Seiten. Weiss und Schwarz, schoen und schrecklich, Hoehen und Tiefen, die dem Leben seine ganze Fuelle schenken. Immer wieder merke ich, trotz dass die Schoenheit mich blendet, wie unendlich arm die Menschen hier sind.
Ich sah einen Mann, der ein Kind mit einem Stock geschlagen hat, ich sah Frauen, die Steine schleppen muessen, ich sah Maedchen in Tabeas Alter, die auf ihre kleinen Geschwister aufpassen muessen und ich lernte einen Jungen kennen, der nicht in die Schule gehen darf, weil er Kuehe hueten muss.

3.12.2007 Ausflug nach Manvi
*Ich laufe mit einer Wasserflasche in der Hand durch die kleine Stadt Manvi. Ein Mann kommt auf mich zu und redet auf mich ein. Ich verstehe kein Wort, aber scheinbar will er irgendetwas mit meiner Wasserflasche, daher gebe ich sie ihm. Er trinkt. (Wenn Inder aus Flaschen trinken, schuetten sie sich das Wasser so in den Mund, dass sie die Flasche nicht beruehren... hab sie danach trotzdem nicht mehr benutzt...). Nach einer Weile findet mich dieser Mann wieder und bringt mir ein paar Trauben, die er offensichtlich irgendwie fuer mich aufgetrieben hat. Er kommt ein zweites Mal und bringt mir eine Handvoll Knabberzeug. (Keine Sorge, ich habs nicht gegessen) Da ich ausserstande bin herauszufinden, ob er dies aus Dankbarkeit fuer den sSchluck Wasser, den ich ihm gab, getan hat oder weil er mich aus sonstigen Gruenden (eine Weisse) faszinierdend fand, wird es fuer immer sein Geheimnis bleiben. Als ich daraufhin mit dem Bus zurueck nach Pannur fahre, unterhalten sich neben mir zwei Maenner lautstark. Sie werden immer lauter, bin ich bemerke, dass sie sich heftig streiten. Andere mischen sich ein, eine Frau versucht zu schlichten. Ich weiss nicht, worum es in diesem Streit geht, aber in dem Gesicht des einen Mannes kann ich so viel Leid und Verzweiflung sehen, dass ich beinahe weinen muss.*

Die Menschen hier sprechen Kannada und die Kinder und viele viele andere koennen kein Englisch, das ist wirklich sehr sehr schade. Anuradha (Anu) brachte mir ein paar Worte Kannada bei, aber weit werde ich wohl nicht kommen, da sie auch eine ganz andere Schrift haben....

7.12.2007 Abschied von Anu und Lorea
Es ist Nachmittag. Anu und ich sitzen auf dem Betonklotz vor der Kueche mit Blick auf den Hof, essen Kekse, die wir in unseren Tee tunken, wie wir es in letzter Zeit so oft getan haben. Anu ist ein indisches Maedchen aus Bangalore, sie kam um ein paar Hintergrundinformationen fuer ihr Studium zu sammeln und in den letzen 10 Tagen verbrachten wir beinahe jede Minute zusammen. Sie ist sehr nett und der einzige Mensch hier, dessen Englich ich recht gut verstehen kann. Heute abend wird sie nach Hause fahren (aber sie moechte im Maerz wiederkommen). Auch Lorea aus Spanien, die einen Monat hier verbrachte, wird uns heute verlassen. Wir waren zu dritt in einem Zimmer untergebracht, bei dem die Fenster keine Scheiben haben und die Klospuelung nicht funktioniert. Von nun an werden nur noch die Lehrerin, die Koechin, die Granny und Father Maxim (wenn er nicht gerade unterwegs ist) hier wohnen. Ich frage mich, wie es wohl ohne Anu und Lorea sein wird...*

9.12.2007 Stromausfall
Ich sitze mit den Kindern draussen auf der Treppe. Wie so oft ist der Strom ausgefallen, daher ist es bis auf die Kerze, die wir angezuendet haben, stockdunkel. Ein paar Maedchen kuscheln sich an mich. Keiner sonst schenkt ihnen koerperliche Waerme und Zuneigung, von daher sitzen sie so gern auf meinem Schoss. Die kleine Santoshi weint. Ich versuche sie zu troesten, doch still schluchzend kullern ihr die Traenen uebers Gesicht. Ich singe ihr etwas vor, druecke sie an mich, streichel ihr uebers Haar. Ich weiss nicht, warum sie so weint und kann sie auch nicht fragen. Wie sehr wuensche ich mir doch in diesem moment, ihre Sprache zu beherrschen. Unschuldige Kindertraenen koennen so herzzerreissend sein...*

Ihr sehr, es geht mir gut.
Hier in Manvi gibt es nur 2 Computer mit Internet und ich bekomme ein schlechtes Gewissen, dass ich den einen so lange blockiere.... von daher hoer ich mal auf, obwohl ich noch so viel mehr schreiben koennte. Ich hoffe, ich konnte euch mit diesen Szenenausschnittenmein Leben hier ein wenig naeher bringen. Ich bitte euch, wer Zeit und Geld hat, der komme mich besuchen. Indien ist auf jeden Fall eine Reise wert!

3. Dezember 2007

Endlich in Indien

Ich bin gut angekommen!!! Flug usw. verlief alles gut, Lucy, ein Maedchen aus Nicaragua holte mich in Bangalore ab und dann blieben wir noch einen Tag dort, bevor wir mit demNachtbus 9 Stunden nach Manvi gefahren sind. Die Entfernungen hier hab ich ehrlich gesagt unterschaetzt, aber das macht nichts, denn man hat Zeit hier.... Die letzte Woche verbrachte ich dann in Pannur, dort ist es sehr friedlich und ruhig, aber bald werde ich vermutlich nach Manvi umziehen. Ich hab leider momentan keine Zeit, viel zu schreiben, ich wollte nur sagen, dass es mir gut geht. Wieder gut geht, denn ich war schon krank, einen Tag lag ich mit Fieber im Bett, aber es war nur eine normale Erkaeltung, keine Sorge. Anfangs hatte ich auch einen ziemlichen Kulturschock und heftig mit dem Jetlag zu keampfen... aber ich gewoehne mich ganz gut ein hier...
Indien ist der Wahnsinn sag ich euch. Ich bin total begeistert. Diese unglaubliche Schoenheit... da kann man nur staunen. Ich kann immer noch kaum glauben, dass ich nun wirklich hier bin. Und gleichzeitig bin ich so dankbar, dass ich das alles erleben darf.
So, ich bemuehe mich, bald wieder (und ausfuehrlicher) von mir hoeren zu lassen.
Machts gut dort im kalten Deutschland, eine schoene Adventszeit wuensch ich euch, bis demnaechst, eure fEjA